Die Ursache. Eine Andeutung (1975)

Lebensgeschichtlich setzt der erste Band von Bernhards Autobiographie 1943 an und behandelt die Schul- und Internatszeit Bernhards in Salzburg. Beide Textabschnitte von Die Ursache beginnen jeweils mit der Benennung von feindlichen Gegenmächten: Zum einen ist es die Stadt Salzburg, die von einer fatalen Verschmelzung von nationalsozialistischen und katholischem Gedankengut beherrscht scheint, zum anderen der familiäre Herkunftsbereich, in dem alles im Menschen ruiniert werde. Auch die Überschriften der beiden Abschnitte verweisen auf diese bedrohliche Gegenwelt: „Grünkranz“ als Inkarnation des Nationalsozialisten und „Onkel Franz“ als Inbegriff des Katholiken – Repräsentanten für zwei ideologische Systeme, die in Österreich historisch aufeinandergefolgt sind, nach Bernhards Darstellung jedoch in ihren Auswirkungen fast ununterscheidbar waren: als Vernichter der Individualität des Einzelnen.

Neben den Selbstmordphantasien erscheint das einsame Geigenspiel des Schülers in der nach außen abgeschlossenen Schuhkammer als einzige Fluchtmöglichkeit, während das Internat als „staatlicher Kerker“ neben den in den Bombenangriffen auf Salzburg besonders intensiv erlebten Schrecken des Krieges zur existenziellen Bedrohung des Individuums wird.

Trotz des deklarierten Bemühens um Authentizität ist das Element der Stilisierung unübersehbar. Die Darstellung konzentriert sich vor allem auf Grenzsituationen und Krisen, aus deren Verknüpfung die literarische Konstruktion einer bestimmten Lebensentwicklung resultiert. Thema der Ursache wie der folgenden drei autobiographischen Romane ist die Selbstdurchsetzung des Ichs gegen eine Umwelt, die es von Anfang an daran zu hindern trachtet. In diesem Sinne ist vielleicht auch das kryptisch in den Text montierte Wittgenstein-Zitat zu verstehen: „Und wenn eine solche Asymmetrie vorhanden ist (zwischen Ich und Umwelt), so können wir diese als Ursache des Eintreffens des einen und Nicht-Eintreffens des anderen auffassen.“

Eine weitere Hilfe bei der literarischen Selbstbehauptung gewährt Montaigne, aus dessen Essais, die bekanntlich auch ein großes Projekt der unkonventionellen Selbstbestimmung darstellen, zahlreiche Zitate entnommen sind: „Es gibt nichts Schwierigeres, aber auch nichts Nützlicheres, als die Selbstbeschreibung. Man muß sich prüfen, muß sich selbst befehlen und an den richtigen Platz stellen.“ Mit diesem Zitat ist das Programm von Bernhards Autobiographie klar umrissen.

M.M., U.B.