Das Bernhard Haus

Videos von Sepp Dreissinger
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Als Thomas Bernhard 1965 den Vierkanthof (genau genommen: eine Kombination aus Vierkant- und Vierseithof) in Ohlsdorf/Obernathal kaufte, stand ihm die Vision eines zum „Denk- und Schreibkerker“ geeigneten Landsitzes vor Augen. Das stark verfallene Gebäude aus dem frühen 14. Jahrhundert, das bereits zum Abriss bestimmt gewesen war, wurde von seinem neuen Besitzer über zehn Jahre hinweg bei Erhalt seiner Proportionen und Architektur zu etwas völlig Neuem: dem anspruchsvollen Landsitz eines Einzelgängers. Zahlreiche neue Räume, die zum Großteil nie benutzt wurden und allein der Gestaltungsfreude ihres Bauherrn dienten, sind entstanden. Bernhards frühes Prosaschaffen ist eng mit diesem seinem ersten Besitz als besonderer Herausforderung an ihn als nunmehrigen Hauseigner, Architekten und alleinigen Bewohner verbunden: Die Sanierungs- und Ausbauarbeiten sowie die Traunviertler Landschaft und ihre Menschen fanden Eingang in sein Schreiben. Ein solches Projekt förderte aber auch die Selbstisolierung und Einübung in die Einsamkeit.

Zwei weitere Anwesen – noch weniger leicht auffindbar und zugänglich und in jeweils anderer Funktion und Bedeutung – kamen im Lauf der Jahre hinzu: die „Krucka“ auf dem Grasberg (Gemeinde Altmünster bei Gmunden) und das „Quirchtenhaus“, nach einem Vorbesitzer auch „Haunspäun“ („Hanspaul“) genannt, in Niederpuchheim (Gemeinde Ottnang, nahe Wolfsegg). Dauernd bewohnt wurde keines von ihnen. Das Nathaler Haus sowie nach und nach auch die beiden anderen wurden von ihrem Besitzer in den letzten Lebensjahren mit dem Fortschreiten seiner Krankheit, wenn überhaupt, dann nur noch zu Kontrollzwecken aufgesucht.

Besonders der von der örtlichen Bevölkerung heute „Bernhard Haus“ genannte ehemalige Bauernhof legt heute Zeugnis ab vom Leben und von der persönlichen Entwicklung seines ehemaligen Besitzers. Bernhard hat ihn im Grunde als Theaterkulisse gestaltet, er enthält sogar einige Requisiten, wie sie in seinen Stücken vorkommen.

Mit seiner unverändert erhaltenen, charakteristischen Einrichtung ist das Bernhard Haus seit 1990 der Öffentlichkeit zugänglich. Es wird vom Erben Dr. Peter Fabjan über die von ihm und seiner Frau gemeinsam geführte Thomas Bernhard Nachlassverwaltung GmbH erhalten und betreut. Die Verwaltung ist der Familie Josef und Brigitte Ennsberger im benachbarten Traich anvertraut.

Peter Fabjan