„Heldenplatz“, Historisch-kritische Edition

Auf die Veröffentlichung der historisch-kritischen digitalen Edition von Bernhards 1982 erschienener Erzählung „Wittgensteins Neffe“ Ende 2021 durch die ÖAW folgt 2024 die erste historisch-kritische Edition von Bernhards ‚Skandalstück‘ „Heldenplatz“.

Textgrundlage ist die in der Bibliothek Suhrkamp erschienene Erstausgabe in erster Auflage (1988), welche die letzte von Bernhard korrigierte und autorisierte Version darstellt.

Der annotierte Volltext wird durch einen Stellenkommentar und mehrere Register zu Ereignissen, Institutionen, Orten, Personen, Figuren sowie Werken und Medien ergänzt. Darüber hinaus enthält die Edition einen textgenetischen Teil. Die im Nachlass befindlichen Textträger, darunter zwei von Thomas Bernhard handschriftlich korrigierte Typoskriptfassungen, zwei maschinschriftliche Fragmente und vier Druckfahnen mit Korrekturen, sowie ein Umbruch, werden als Digitalisate mit den entsprechenden Transkriptionen der von Bernhard in allen Textstufen vorgenommenen Korrekturen und Eingriffen wiedergegeben und ermöglichen die Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte.

Der Text der Erstausgabe und alle Textzeugen sind auch als Volltexte durchsuchbar.

Bernhard-Texte über das Theater, Ö1

Ein Kind ist immer ein Schauspieldirektor, und ich bin schon sehr früh ein Schauspieldirektor gewesen. Zuerst habe ich hundertprozentig eine Tragödie aufgeführt und dann eine Komödie und dann wieder eine Tragödie, und dann vermischte sich das Theater, es ist nicht mehr erkennbar, ob es eine Tragödie oder eine Komödie ist. Das verwirrt die Zuschauer. Sie haben mir applaudiert, jetzt bereuen sie es. Sie haben geschwiegen und mich verächtlich gemacht, jetzt bereuen sie es. Wir sind uns immer voraus und wissen nicht, sollen wir applaudieren oder nicht.“ (Der Keller, Werke 10, S. 207)

Im Rahmen der Ö1-Reihe „Du holde Kunst“ vom 30. Juni 2024 las die Bernhard-erfahrene Burgschauspielerin Maria Happel Texte von Thomas Bernhard über das Theater, begleitet von Kompositionen Bachs, Beethovens, Mozarts, Schuberts, Haydns und Strauss‘.

Online abrufbar in der ORF-Mediathek

Tagungs-Impressionen aus dem Allgäu

Von 9. bis 11. Mai 2024 richtete die ITBG gemeinsam mit der Deutschen Sebald Gesellschaft die Tagung »Natur, Verantwortung, Zerstörung« Facetten des Nature Writing bei Thomas Bernhard und W.G. Sebald (Pressenotiz) in Sonthofen im Allgäu anlässlich von W.G. Sebalds 80. Geburtstag aus. Die ›ITBG-Delegation‹ bestand aus Büroleitung Clemens Braun und Generalsekretärin Juliane Werner, die gemeinsam mit Claudia Öhlschläger (Universität Paderborn/Deutsche Sebald Gesellschaft) und Kay Wolfinger (LMU München/Deutsche Sebald Gesellschaft) für die Konzeption der Tagung verantwortlich zeichnete.

[Alle Bilder c/o Deutsche Sebald Gesellschaft / Rudolf Schnellbach]

Rahmenprogramm war eine Vernissage mit Bildern des Malers Jan Peter Tripp sowie eine Lesung Christoph Ransmayrs, der im Zuge eines anschließenden Gesprächs auch sein Verhältnis zu Thomas Bernhard kommentierte.

Jan Peter Tripp (links) im Gespräch mit Kay Wolfinger (LMU München/Deutsche Sebald Gesellschaft)

Ricardo Felberbaum (links, Deutsche Sebald Gesellschaft) im Gespräch mit Christoph Ransmayr

„Thomas Bernhards ungeschminktes Österreich“ (ARTE)

Zu Wort kommen in diesem Dokumentationsbeitrag aus der Sendung Stadt Land Kunst (Regie: Fabrice Michelin / ARTE, 12. März 2024) Peter Fabjan, Martin Huber und Manfred Mittermayer, gedreht wurde in Salzburg, Gmunden und Wien.

„Thomas Bernhard verband eine tiefe Hassliebe mit seiner Heimat Österreich, wo er bis zu seinem Tod 1989 lebte. Viele seiner Texte sind gallig-bissige Abrechnungen mit einem Land, das Mozart, Stefan Zweig, aber auch Adolf Hitler hervorbrachte, seine eigene Geschichte leugnet und sich mit einer Mauer aus Lügen umgibt, die der Schriftsteller mit scharfen Worten einzureißen sucht.“

Online abrufbar in der ARTE Mediathek

 

„Der Bauer zu Nathal. Kein Film über Thomas Bernhard“

In Thomas Bernhards Heimatgemeinde Ohlsdorf bei Gmunden ist der bekannteste österreichische Schriftsteller des 20. Jahrhunderts allgegenwärtig, und trotzdem nur eine Fußnote. Wie die Landgemeinde mit diesem überlebensgroßen literarischen Erbe umgeht (oder eben nicht), zeigt der Film „Der Bauer zu Nathal“. Er offenbart einen Blick hinter die Kulissen der Bernhardschen Lebensbühne, hinein in die Seele einer Gegend, die den Geistesmenschen Bernhard so inspirierte.

Inkl. mehr als 50 Minuten bisher unveröffentlichtes Bonusmaterial, u.a. mit Josef Fürtbauer, Josef Windischbauer, Nicholas Ofczarek und Karl Ignaz Hennetmair. Dokumentarfilm, Ö 2018. Regie: David Baldinger & Matthias GreulingLaufzeit: 90 Min., FarbeUT: DE/EN

Online für 4.90€ / auf DVD für 19.90€ unter david.baldinger@orf.at

 

„Wittgensteins Neffe“, Kommentierte Edition

Zum ersten Mal erscheint ein Text von Thomas Bernhard zusammen mit sämtlichen Entstehungsstufen: Nach der Digitalisierung von Bernhards Nachlass (2015–­2018) legt das Austrian Center for Digital Humanities and Cutural Heritage der Österreichischen Akademie der Wissenschaften mit freundlicher Zustimmung von Thomas Bernhards Erben, Dr. Peter Fabjan, eine Online-Ausgabe von „Wittgensteins Neffe“ (1982) vor.

Außer dem Text und einem Stellenkommentar enthält sie auch die hinterlassenen Fassungen, vor allem zwei von Bernhard getippte und handschriftlich korrigierte Textversionen. Neben der Wiedergabe der Originale finden sich Transkriptionen, die Bernhards Streichungen, Korrekturen und Einfügungen akribisch dokumentieren. Auf diese Weise wird es erstmals möglich, Bernhards Schreibarbeit an einem ganzen Werk im Einzelnen nachzuvollziehen. Die vom Team Austrian Corpora and Editions erarbeitete digitale Ausgabe erlaubt eine Volltextsuche und eine Recherche mittels verschiedener Register. Damit liegt die erste historisch-kritische Edition eines Werks von Thomas Bernhard vor.

Lajos Adamik gewinnt den Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzung

Lajos Adamik, Übersetzer und langjähriges Mitglied der ITBG, hat den diesjährigen Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzung zuerkannt bekommen. Adamik übersetzte u.a. Werke von Thomas Bernhard, Stefan Zweig, Peter Handke und Ingeborg Bachmann ins Ungarische.

Zu diesem Anlass möchten wir einen Auszug aus seinem Artikel „Der unbeirrbare Drang, vom längsten Satz bis zum kürzesten möglichst kunstvoll zu scheitern“ wiedergeben, welcher in Ein übersetztes Buch ist wie eine Leiche. Übersetzter antworten Thomas Bernhard erschienen ist:

Unweigerlich jedoch geht eine wichtige Schicht der Bernhardschen Prosa im Ungarischen verloren, da in diesem die indirekte Rede grammatikalisch nicht markiert wird. Nirgendwo ein „sei“, nirgendwo ein „habe“; und auch wenn die indirekte Rede kein allein bei Bernhard anzutreffendes Stilmittel ist, spielt sie beim Aufbau der erzählerischen Situationen als geeignete Form zum Ausdruck feiner, oft ironischer Distanzierungen immer wieder eine wichtige Rolle. Im Ungarischen hingegen, da hier die indirekte Rede stets im schlichten Indikativ steht und da in ihm in einfachen Aussagesätzen in der dritten Person Singular selbst der konjugierte Teil „ist“ fehlt („Mein Vater ist Arzt“ – apám orvos), muss der Übersetzer von Fall zu Fall entscheiden, ob die erzählerische Situation eindeutig genug aus dem Kontext hervorgeht oder ob er den Hinweis auf den Sprecher durch das Hinzufügen einer Wendung wie „er sagte“ noch einmal präzisiert. Während des Übersetzens von Verstörung hat mich dieses Manko des Ungarischen so stark gestört, ich habe es als einen so schweren Verlust gegenüber dem Original empfunden, dass ich mir eine Weile ernsthaft überlegte, ob man die entsprechenden Stellen nicht wenigstens typographisch, mit einer zweiten Schriftfarbe, kennzeichnen könnte. Ich bin dann mit dieser Idee nicht einmal bis zum ungarischen Lektor vorgedrungen, geschweige denn, dass ich Suhrkamp mit solchen Wahnsinnseinfällen heimsuchte.

Luigi Reitani. Ein Nachruf von Petra Hardt

Ich bin tief erschüttert. Da geht der gute, hochintelligente und unermüdliche Reitani trotz Impfung an den Folgen der Erkrankung an diesem unberechenbaren Virus. Das ist sehr traurig.

Die Beziehungen zwischen Italien und Österreich, zwischen Italien und Deutschland wären ohne Professor Reitanis Wirken ärmer. Der Suhrkamp Verlag hat gerade in den Jahren, als Luigi Reitani Leiter des Istituto Italiano in Berlin war, eng mit ihm zusammengearbeitet.

Er hat uns mit Ferrante und anderen italienischen Autoren und Autorinnen unterstützt und natürlich als Germanist unsere deutschsprachigen Autoren gelesen und übersetzt. Er konnte Wissenschaft, Institution und Handel. Sein Engagement für Thomas Bernhard haben Sie, lieber Herr Dr. Fabjan, in Ihrem sehr schönen Nachruf bereits gewürdigt.

Wir trauern um Luigi und gedenken seiner in Dankbarkeit.
Seiner Frau und den beiden Töchtern gilt unser tiefstes Mitgefühl.

Petra Hardt

Prof. Luigi Reitani

Ein Nachruf

Der anerkannte Germanist, Übersetzer von Hölderlin, Bernhard u. a., Kulturbeauftragter in Udine, zwischen 2015 und 2019 Leiter des italienischen Kulturinstitutes in Berlin, Mitglied der Vereinigung Freies deutsches Hochstift in Frankfurt, Träger des Mondellopreises für Übersetzung, Familienvater zweier (aus Indien) adoptierter Töchter, ist Opfer der aktuellen Jahrhundertseuche geworden.

Mein erster Kontakt mit ihm in Wien hat noch der Idee schaffen, der Internationalen Thomas Bernhard Gesellschaft in jeder europäischen Großstadt eine eigene Vertretung zu schaffen, er hat ihr darauf dort in Udine mit der Gründung einer eigenen Institution entsprochen.

Sein Tod reiht sich in die lange Liste uns, der Stiftung und der Internationalen Thomas Bernhard Gesellschaft, als führende Mitglieder inzwischen verlorengegangener Personen. Ein großer Verlust! Seiner Witwe und den beiden Töchtern gilt unsere Anteilnahme.P. Fabjan

Zum Tode von Franz Josef Altenburg

Franz Josef Altenburg, Spross der Familie Habsburg und Urenkel Kaiser Franz Josef I ist am 18. dieses Monats verstorben. Zu seiner Familie, ansässig in der Ortschaft Breitenschützing nahe Schwanenstadt/OÖ, hatte Bernhard besonderen Kontakt. Mit großer Regelmäßigkeit ist er hingekommen und bewirtet worden. Das Wachsen der Familie hat er mit viel Anteilnahme verfolgt, die Kinder besonders geliebt, die keramischen Arbeiten Franz Josefs respektvoll betrachtet.
Mit ihm verlieren wir einen eigenständigen Künstler.

Anny und Peter Fabjan