„An Thomas Bernhard scheiden sich die Geister“
Sich auf ihn einzulassen, ihn respektieren zu können, verlangt, sich mit der Person und dessen Schicksal und dessen Bewältigung zu beschäftigen. Einfach einen Prosatext von ihm zu lesen mag beeindrucken, versäumt zugleich den Menschen dahinter. Ist man zu dieser Empathie nicht fähig, hat man keinen tieferen Zugang zu ihm.
„Die Krüppel beherrschen die Welt“ – ein Satz bei welchem er zweifellos von sich ausgegangen ist. War er doch ein von frühauf in der Persönlichkeitsentwicklung gestörter Mensch, zu Unkonventionellem fähig, das er im Bewusstsein eigener Besonderheit, eines bloßen ‚Geworfenseins‘ in die Welt, jeder geschichtlichen Größe zugestanden hat. „Ich erfriere von innen heraus“ (so der Fürst in Verstörung) wiederum lässt innere Leere und Kälte dort erahnen, wo wir mit der Muttermilch Liebe und Vertrauen aufgesogen haben. Leben wurde nur mehr aus der Reaktion der Umwelt verspürt. Alles Provozieren und Übertreiben daraus verständlich.
Einmal herangewachsen, ist er im Auftreten schließlich stets dem Milieu entsprechend aufgetreten, im Benehmen und Umgang durch die alte Dame aus dem Wiener Großbürgertum bestens geschult, immer Mittelpunkt der Gesellschaft, schlagfertig, charmant, zugleich verletzlich, stets ‚auf der Hut‘, zielbewusst, nie harmlos.
Das persönliche Defizit zu einer ’normalen‘ und damit ‚banalen‘ Existenz, zugleich der Boden für sein Künstlertum, bestand in der Unfähigkeit zu jeder näheren Beziehung, seinem großem Distanzbedürfnis und gleichzeitigem Verlangen nach Anerkennung und Zuneigung. Das bestenfalls im Sinn von Liebe auf Distanz, also ohne körperliche Nähe, das Sexuelle ein Lebensbereich, der ihm bedrohlich, besonders auf der weiblichen Seite geradezu unheimlich und unerträglich gewesen sein muss. Die, bei hohem Anspruch an den Charakter eines Menschen, gesuchte Nähe brachte viel Enttäuschung, ließ ihn in Einsamkeit zurück. E i n e n Menschen hat er versucht von all dem auszunehmen. Das ist dann sein ‚Lebensmensch‘ gewesen. Ihn hat er im Dasein und in der Not letzter Verzweiflung zum Überleben gebraucht, die Natur wider täglicher Erfahrung als zu überwinden empfunden. Es ist „alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt“. Er musste als ‚Leere und Kälte‘ erscheinen, als der Ort, von dem keine Liebe, kein Lebensersatz mehr kommen kann.
P. Fabjan
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