Zum 140. Geburtstag von Johannes Capistran Freumbichler

 

Um über diesen Mann, den Dichter Johannes Freumbichler, so wie wir zurückgebliebene und inzwischen selbst gealterte Enkelkinder ihn heute zu verstehen versuchen, um über diesen Mann zu schreiben, können wir nicht so wie Thomas auf eine intensive Beziehung zurückgreifen. Wir scheinen von ihm mehr als in der Obhut unserer Eltern gut gedeihende Wesen empfunden worden sein, jedenfalls nicht als seines Schutzes bedürftig. Wir waren aber auch sieben bzw. neun Jahre jünger als Thomas und für diesen eine unerbetene Konkurrenz.

Heute glaube ich, man könnte ihn, unseren Großvater mütterlicherseits, – den von Vaterseite haben wir nie kennengelernt, ist er doch absolut gegen diese Verbindung seines jüngeren Sohnes gewesen – man kann ihn, den Vertreter einer selbstgegründeten Religion nennen, die er aus dem Respekt vor und der Liebe zur Welt seiner Ahnen für sich und die sich rasch ändernde Umwelt geschaffen hat, um das tragende Positive daran in die Zukunft hinüberzuretten. Das hat er mit einem solchen Ernst und solcher Bestimmtheit versucht, wie das sonst Sektengründer zu tun imstande sind. Aber im Vergleich zu seinem Enkelschüler sind bei ihm die Voraussetzungen für einen wahren Erneuerer in der Dichtung nicht ausreichend gegeben gewesen:

Von der Mutter geliebt, vom Vater akzeptiert, ist er aus einem `geordneten Haus´ gekommen, Die Brüche sind erst mit dem Verlassenwerden von seiner Jugendliebe und dem Selbstmord des Bruders, entstanden. Die eigene Gemütslabilität und damit reduzierte Kreativität kam dazu. Leicht erregbar und entflammbar für das politische und moralische Schwärmertum seiner Zeit, gepaart mit einem Sendungsbewusstsein für `die Menschheit´, für die Gesellschaft, von der er sich früh abzukapseln begonnen hat, hat das zu einem Dasein eines für die nächste Umgebung nicht ungefährlichen Außenseiters geführt.

Hat die Mutter noch ihr Leben lang für diesen, von ihr wirklich geliebten Sohn Hans regelmäßig aus der Krämerladenkassa Geld abgezweigt, ist der gemütskranke Bruder im entscheidenden Moment ohne die Hilfe seines in die Welt der Akademiker entrückten Bruders geblieben.

Er hat dann seine ganze engere Familie, die er im jugendlichen Übermut oder romantischer Verblendung gegründet hat, in einer so rücksichtslosen Weise an sich und seine Vorhaben gefesselt, dass sie einer revolutionären Zelle gleich vollkommen ausgeliefert gewesen ist.

Unsere Mutter, seine Tochter, ist nach dem Krieg in totaler seelisch-körperlicher Erschöpfung schon ein Jahr nach diesem ihrem Vater gestorben, sein Sohn viele Jahre später in völliger Isolierung, sein geliebter Enkelsohn Thomas (Bernhard) als ein weiteres `Opfer´ zum Dichter der Krankheit und des Untergangs geworden; allerdings in seinem Überlebenskampf dann seinerseits zum selbständigen Künstler, sein Schwiegersohn schließlich doch noch zum gereiften Privatphilosophen mit eigener `Glück- im Unglück-Welt´ geworden.

Man hat also neben ihm untergehen oder auch auf dem von ihm bereiteten Boden reifen können. Die von ihm ausgehende Verstörung des Normaldaseins, seine durchaus kritische Haltung zur institutionalisierten Autorität egal welcher Art, dazu seine Wahrhaftigkeit ist das Besondere gewesen und das ist es, das auf fruchtbaren Boden gefallen, weiterwirkt.

Basis für alles d a s ist bei Freumbichler wohl eine starke Bindung an die Mutter, die ihrerseits gemeint hat, diesen zarten Buben schützen zu müssen, ihm später dann die Natur und die für den Erzähler so wichtige Überlieferung zur weiteren Geliebten geworden. Alle die anderen und auch die ihm in größter Ergebenheit Nahestehenden haben da letztlich als Außenstehende rangiert.

Wenn man meint, dass er, von einer idèe fix beherrscht, nicht anders konnte, kann man verstehen, dass er Andere für seine Bestimmung vereinnahmen zu können gemeint hat.

Mit seinen Büchern hat er aber manche Glücksmomente zaubern können, er schließlich kurzzeitig richtigen, wenn auch nicht weitreichenden Erfolg gehabt. Schöngeistigkeit, die Enge der bäuerlichen Idylle und grenzenlose Selbstbezogenheit haben verhindert, dass er bedeutend werden hat können. Als Vormann Bernhards, bleibt er, wie Raimund Fellinger, der langjährige Cheflektor bei Suhrkamp, gemeint hat, bestehen; daneben wohl auch als poetischer Überlieferer früherer gesellschaftlicher und sprachlicher Wirklichkeiten, alten Brauchtums und als bis zuletzt sich treu gebliebener Denker und Schreiber.

 

Peter Fabjan

 

 

 

 

0 Antworten

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Wollen Sie an der Diskussion teilnehmen?
Wir freuen uns über Ihren Beitrag!

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.