“Nachruf auf unseren Präsidenten” von Dr. Peter Fabjan
Meine ersten Kontakte mit ihm, der einstigen ,rechten Hand‘ des Verlegers Siegfried Unseld, gehen auf meinen Briefwechsel mit ihm, Unseld, zurück.
Der hatte nach dem Tod meines Bruders begonnen, war von ihm, Unseld, aber eines Tages wohl als Zumutung empfunden worden. Und so musste Herr Fellinger, der diplomatischere, übernehmen. Weder dem Einen noch dem Anderen konnte ich, wenn auch von Thomas zum Erben gemacht, `auf Augenhöhe´ gegenübertreten. Ich habe mit der Aufgabe wohl erst noch wachsen müssen.
Schließlich gründete ich unter Mithilfe von Prof. Schmidt-Dengler, im Zusammenhang mit der Verlegerentscheidung sich von Bernhards Testamentsverdikt auf die Verlagsverträge zurückzuziehen, die Stiftung mit Sitz in Wien als eigentliche Repräsentanz des Dichters im Land. Und Herr Unseld hat sie nicht bloß akzeptiert. Er war zu ihrer Eröffnung im exterritorialen Palais Clam-Gallas (zur Französischen Botschaft gehörig) persönlich erschienen.
Fortan ist mir Herr Fellinger in der Seite an Seite mit der Stiftung entstandenen Internationalen Thomas Bernhard Gesellschaft mit großem Engagement beigestanden. Er hat nach Univ. Prof. Haslinger vom Salzburger Literaturarchiv und später dem Rechtsanwalt Dr. Neubauer aus Wien die Führung auch nominell gleich zwei Mal übernommen. Aufbau, Modernisierung und Leben der Institution sind von da an sein Werk gewesen.
In all seiner fruchtbaren Umtriebigkeit ist gemeinsam mit dem Maler und Sohn der Besitzer das Revitalisierungsprojekt eines Nobelhotels am Salzburger Gaisberg angestoßen worden und sind andere seiner Ideen wie das mit Sepp Schellhorn in Goldegg oder das mit dem Besitzer des Hotels Goldener Brunnen in Gmunden realisiert worden und bis heute lebendig. Immer hat er Menschen für seine Sache einzunehmen verstanden und es nicht bloß bei `Literaturhotels´ belassen, vielmehr regelrechte kleine Kulturzentren entstehen lassen. Sie sind inzwischen neben dem Haus in Ohlsdorf zum Begriff geworden.
Veranstaltungen wie die für die Lyrikerin Anise Koltz in Luxemburg oder die in Wien und Budapest mit dem Treffen von Übersetzern mit dem Bernhardtitel „Ein übersetztes Buch ist wie eine Leiche“ sind (letztere von Dr. Breiteneder von der Österr. Akademie der Wissenschaften initiiert), von ihm mitgeprägt worden.
Neben all dem ist die Gründung des Korrektur Verlages mit der Hilfe der Familie Aumayer-Gann, des Mäzens Matrong und nicht zuletzt seiner Frau ein Meilenstein seiner Initiativen geworden, dem Spott der FAZ von ihm noch zuletzt kraftvoll entgegengetreten worden.
Meine Gründung eines eigenen Archivs in Gmunden in Zusammenarbeit mit Univ. Prof. Schmidt-Dengler war ihm sehr gelegen gekommen. Unvergessen seine, Martin Schwabs und vieler anderer samt Blasmusikkapelle Teilnahme an der von meiner Frau hinter meinem Rücken inszenierten Feier zu meinem Siebziger. Zu ihr gestaltete er eine eigene Festschrift. Die Arbeit in diesem Archiv hat zur Herausgabe der Gesamtausgabe geführt. Seine jahrelange intensivste Zusammenarbeit mit den Mitherausgebern, zuvorderst Martin Huber, ist legendär, das Ergebnis bis heute die erste große Aufarbeitung des Werkes.
Als Dr. Unseld am 26. 10. 2002 stirbt, ist er bei ihm, was seine Dankbarkeit, zugleich das starke Verbundensein mit seinem patriarchalischen Mentor bezeugt.
Als es 2013 in einer Auseinandersetzung um die Eigenständigkeit des in einer denkmalgeschützten Villa des Landes residierenden Archivs mit dem Stifterinstitut in Linz für ein Jahr zur provisorischen Weiterführung durch die Akademie der Wissenschaften und schließlich zu dessen Auflösung kommt, ist er uns neben dem Wiener Anwalt Torggler immer beratend zur Seite gestanden.
Wie von Bernhard testamentarisch festgelegt, sollen Ausübung und Umgang mit seinem literarischen Nachlass mit dem Suhrkamp Verlag gemeinsam erfolgen.
So ist er in Vertretung seines Hauses über viele Jahre mit mir bemüht gewesen, die literarischen Nachlässe von Bernhard und Freumbichler über die Zwischenstation Deutsches Literaturarchiv Marbach, wo sich aus dem Verlag bereits Originalien befinden, eine endgültige Bleibe zu verschaffen. Unermüdlich reiste er an die Verhandlungsorte, darunter auch zwei Mal nach Wien. Am aktuellen Angebot an die Österreichische Nationalbibliothek hat er wesentlichen Anteil.
Gestrenger Lektor, zuletzt noch mit dem Lektorieren von Peter Handkes Das zweite Schwert und gemeinsam mit Jonathan Landgrebe mit der Vorbereitung des Gedenkens an Peter Suhrkamp befasst, hat er die Verleihung des Nobelpreises an Peter Handke, einen der drei von ihm lektorierten Autoren, nicht nur verteidigt, ja trotz seines bereits starken Beeinträchtigtseins auch noch daran in Stockholm teilgenommen und mir seinen neuen Arbeitsplatz in Berlin mit Stolz fotografiert.
Unvergessen zuvor noch seine Präsenz in Darmstadt, wo er uns Mitglieder des Vorstandes in ein exklusives Restaurant geladen und über sein Kranksein informiert, darüber hinaus versucht hat trotz schwerster Kommunikationsprobleme die Vorstandssitzung und die Generalversammlung zu einem Erfolg werden zu lassen.
Vorstandsmitglied im Verlag, hat er mit Frau Unseld-Berkèwicz und dem großen Team von Mitarbeitern im Haus, darunter Jonathan Landgrebe, Petra Hardt und Christiane Schneider im Wechsel von Frankfurt nach Berlin und dem stürmischen Wandel der Medienwelt die Stellung der Institution Suhrkamp zu behaupten gewusst.
Mir ist er zum unverzichtbaren Partner, mir und meiner Frau immer einmal als charmanter in Saarbrücken gebürtiger Saarländer mit besten Französischkenntnissen, zusammen mit seiner lieben Frau zum persönlichen Freund geworden.
Seine Haltung angesichts der tödlichen Krankheit war von Beginn an von Klarheit und bewundernswertem Kampfgeist beseelt. Wir haben einen wunderbaren Präsidenten, die Welt der Literatur hat einen ihrer leidenschaftlichsten Verfechter verloren.
P. Fabjan
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