Heldenplatz (1988)

Zum bekanntesten aller Bernhardschen Theatertexte wurde Heldenplatz, sein Beitrag zum so genannten „Bedenkjahr“ 1988, in dem an den 50 Jahre zurückliegenden Anschluss Österreichs ans Großdeutsche Reich erinnert werden sollte. Der inhaltliche Kern des Stückes ist mit der Gestalt von Herrensteins Freund Guggenheim schon in Elisabeth II.vorweggenommen. Denn so wie er ist auch die Zentralfigur von Heldenplatz, der jüdische Gelehrte Professor Schuster, aufgrund der Herrschaftsübernahme durch die Nationalsozialisten ins Exil gegangen. Er folgt jedoch einer Einladung des Wiener Bürgermeisters und kehrt in seine Heimat zurück. Als er die österreichische Bevölkerung noch immer als so antisemitisch, so fremdenfeindlich und so undemokratisch wie damals wahrnimmt, stürzt er sich aus dem Fenster seiner Wohnung am Heldenplatz, an der Stätte von Hitlers erster großer Rede in Österreich.

Nicht zuletzt die Rezeption dieses Stücks befestigte die öffentliche Wahrnehmung Bernhards als Skandalautor, als Provokateur und (wie man es in seinem Herkunftsland vielfach sah) als „Nestbeschmutzer“. Denn ein Vorabdruck besonders polemischer Passagen aus dem Text in der österreichischen Presse verursachte damals eine landesweite Diskussion, die sich nicht zuletzt auch an der Tatsache entzündete, dass Heldenplatz ausgerechnet am Wiener Burgtheater (zu dessen 100-jährigem Jubiläum) aufgeführt werden sollte, an einem Theater, das von einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung als nationale Kulturinstitution im Dienste der repräsentativen Klassikerpflege angesehen wurde.

Die Journalistin Sigrid Löffler schrieb treffend, ganz Österreich hätte sich „aufs Stichwort in eine Thomas-Bernhard-Komödie verwandelt“, in die „hinterhältigste, abgefeimteste, entlarvendste“, die sich der Autor je ausgedacht habe. „Ganz Österreich ist die Bühne, alle Österreicher sind Komparsen, die Hauptdarsteller sitzen in der Hofburg und am Ballhausplatz, in den Zeitungsredaktionen und in den Parteizentralen. Das Publikum aber ist die ganze Welt“.

M.M.