Der Theatermacher (1984, Uraufführung 1985)

Der Protagonist des bei den Salzburger Festspielen uraufgeführten Stücks ist der Staatsschauspieler Bruscon, der mit seinen beiden Kindern und seiner Frau in einem Dorfgasthof in Utzbach seine Menschheitskomödie „Das Rad der Geschichte“ aufführen will. In langen Tiraden ereifert er sich über die Verkommenheit der noch immer dem Nationalsozialismus anhängenden österreichischen Bevölkerung, die Talentlosigkeit seiner Kinder und die Geistfeindlichkeit des Weiblichen. Letztlich kommt die Vorstellung gar nicht zustande; das Vorhaben, der ganzen Welt eine „Geschichtsstandpauke“ zu halten, scheitert an der bei Bernhard häufig demonstrierten Übermacht der Natur: ein Gewitter verursacht einen Brand im Pfarrhof, die Menschen laufen aus dem Wirtshaussaal und ziehen das reale Spektakel der dramatischen Kunst vor.

Wer Bernhards Familiengeschichte kennt, wird die Beziehungen Bruscons zu den Mitgliedern seiner Familie und seine Auslassungen über die Unterdrückung des genialen Einzelnen durch die Gesellschaft und die Frauen mit dem Bild seines Großvaters Johannes Freumbichler assoziieren. Vor diesem autobiographischen Hintergrund entfaltet der Autor jedoch ein tragikomisches Spiel über die Tyrannei eines Kunstbesessenen, der seine Umgebung in den Dienst einer unbeirrbar verfolgten Idee stellt, was sich auch als „Gleichnis über die Kunst in einer kunstfeindlichen Welt“ (Hans Höller) lesen lässt – wobei es sich konkret um die Kunstferne der Provinz handelt, die in Gestalt realer oberösterreichischer Ortsnamen wie Mattighofen oder Gaspoltshofen präsent ist.

Bernhards Stück, das von allen seinen Dramen die meisten Neuinszenierungen erfuhr, enthält – als tragendes inhaltliches Element – deutliche Anspielungen auf den berühmten „Notlicht-Skandal“ im Zusammenhang mit der Salzburger Uraufführung von Der Ignorant und der Wahnsinnige (1972), als wegen der Weigerung der Festspiele, den Theaterraum am Ende vollständig zu verdunkeln, nur eine einzige Vorstellung über die Bühne ging; im Theatermacher wird Bruscons analoge Forderung vom dörflichen Feuerwehrhauptmann jedoch anstandslos genehmigt  zur erkennbaren Enttäuschung des Schauspielers, dessen Stück nicht einmal mehr auf diese Weise Aufsehen zu erregen vermag.

M.M.